aufgründig

Wenn es da, wo man sich gerade aufhält oder wo man wohnt, traditionelle Feste gibt, kann man sich dem Treiben schon etwas öffnen. Beziehungsweise sich selbst eine innerliche Platform bauen, auf der man mal schaut, was läuft, wohl wissend, dass man aus einer Berlinerin keine waschechte Kölnerin machen kann. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich noch als waschechte Berlinerin zu betiteln wäre, obwohl ich meinen Pass immer gerne mochte und mag. Nun ist ein weiterer Tag Karneval und da staune ich schon ein bisschen, dass die gegen Rechts Protestierenden nun in ähnlich hohen Zahlen kostümiert in kilometerlangen Prozessionen durch die Gegend ziehen, mit viel authentischem, aber auch viel Lächellustzwanghaftem. Das Allesamte auch ein Hauch unheimlich. Woher soll dieses Freudenlachen in der tagelangen Sause auch kommen bei all dem übersprungenen Schrecken, der schon in der Asche lauert. Nun, ich bin ja nicht im Kostüm der Spielverderberin unterwegs,eigentlich bin ich überhaupt nicht unterwegs. Gestern abend haben wir einmal eine Stunksitzung gesehen, meine erste Stunksitzung, das war nicht uninteressant und auch zuweilen lustig und intelligent, wenn man das Kölsch entziffern konnte. Auf meiner inneren Bühne erscheinen derweil andere Masken, scheinbar durch sich selbst gerufen. Denn hinter der Maske ist ja meist noch eine Maske, für die empfinde ich tiefes Interesse, und ich ehre die Lockvögel, die sie sichtbar machen können. Nichts gegen ein ausgelassenes Volk, wenn die Teilnahme frei ist, aber bei mir geistern gerade Dichter:innen durch dunkle Korridore, wo sie, ebenfalls maskiert, ihren Abgründen und ihren Aufgründen entgegen gehen. Aber auch dort gilt die Kölner Parole, auch wenn ich erst einmal auf dem Handy nachschauen muss, wie man sie schreibt: „Arsch huh! Zäng ussenander.“ In den Sakristeien sammeln sie derweil schon die Asche.

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