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Kurz bevor wir uns vergangenen Freitag ans Meer aufmachten, las ich einen Satz von Ibn Battuta über das Reisen, der sich mir eingeprägt hat: „Reisen – macht dich sprachlos und verwandelt dich dann in einen Geschichtenarzähler“ (oder eine Geschichtenerzählerin), was der nackten Wahrheit entspricht, denn vor allem, wenn man sich in unvertrauten Gefilden aufgehalten hat, kommt man mit allem möglichen zurück, und oft genug versteht man durch die eigene Mitteilung erst, was man tatsächlich erlebt hat. In Wirklichkeit waren es für uns gar keine unvertrauten Gefilde, denn viele Male waren wir schon, zusammen oder einzeln, dort gewesen, in Holland, und vor allem bei einem verlängerten Wochenende mussten wir damit rechnen, dass ein nicht geringer Teil der deutschen Bevölkerung sich dort am Tummeln war. Es stört nicht, alle sind mehr oder weniger mit denselben Dingen beschäftigt wie an allen Orten, an denen die Schönheit der Natur Unmengen von Menschen angezogen hat, deren ähnliche Bedürfnisse von Einheimischen immer professioneller bedient werden, sodass auf beiden Seiten ein gewisses Maß an Zufriedenheit anwächst über die Vorgänge. Und je mehr Geld hereinfließt, desto schöner werden die Wege,  je klarer die Ordnungen und je teurer die Übernachtungsmöglichkeiten. Darin ähneln sich das indische Dorf und das holländische Dorf, indem ihre Besonderheit Anlass gibt für Reichtum auf beiden Seiten. Die Saison-Zeiten sind anders. In Indien beginnt die Saison im November und geht bis März, hier geht sie von März bis November. Man sieht so viel Gleiches, dass es dem Geist mühelos Distanzierung ermöglicht. Nein, nicht mühelos, oder ganz im Gegenteil muss man sich mächtig ins Zeug legen, um sich dem trägen Sog des Urlaubmachens zu entziehen, dem diese Atmosphäre untertan ist. Ist es zum Beispiel heiß und der kleine Ort hat einen Kleiderladen im Bazaar, so sieht man kurz darauf viele von diesen Kleidungsstücken herumlaufen, und obwohl es in der einzelnen Entscheidung etwas Individuelles oder gar Gewagtes darstellt, gibt es dem Gesamtbild seine ungeheure Ödnis. Nun hatten wir das Glück, uns in einem völlig umdesignten Hotel mit kraftvoller Preislage niederzulassen, und unsere Zimmer hatten nicht nur die Unversehrtheit des Nagelneuen, sondern waren, wie wir erfuhren, von der Frau des Hotelbesitzers persönlich gestylt worden, und man konnte sehen, dass hier eine Leidenschaft mit einem Talent zusammentraf. Man konnte sogar nachvollziehen, warum etwas weggelassen wurde (zum Beispiel eine Küchenzeile), das war undenkbar zusammen mit dem Design, alles in hellen Tönen. Im Frühstückssaal herrschte eine heilige oder besser heillose (?) Stille, so konzentriert war die Aufmerksamkeit auf den großen Teller, auf dem vom übermäßigen Angebot des Frühstücksbuffets d a s lag, was jede/r von uns glaubte, verkraften zu können. Es war viel, sehr viel, und nicht immer leicht oder nötig, sich an sein eigenes Maß zu erinnern. (Oder doch?). Im epikureischen Sinn ist an dem gelegentlichen Übermaß nichts zu bemängeln. Hauptsache, es bekommt einem und ist mit dem Geschenk des seltenen Genusses verbunden. Wie von Ibn Battuta gesagt, man kommt ins Erzählen, und nun bin ich nur bis zur Einleitung gekommen und werde morgen selbst noch sehen, wie es weitergeht.

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