erinnern


Oh
Das war ein durch allerlei einem leicht fallenden Mühen erfreulich dahinfließendes Osterfest, bei dem alle Beteiligten das Gefühl hatten, sich am richtigen Ort zu befinden. Erfreulich für mich war zum Beispiel, dass ich nur kurz zwischendrin mal an die Kreuzigungsgeschichte denken musste, die so erbärmlich für den Helden ausging. Man könnte sich ja auch fragen, warum er sich so ein schlimmes Schicksal gebastelt hatte, aber immerhin hat das Drama ihn zu einem königlichen Spieler gemacht. Man kann mit ihm feiern, und man kann mit ihm oder um ihn trauern. Ich war aber mehr mit einer Gästin beschäftigt, die uns, von Kalifornien kommend und nach Paris gehend, besucht hatte über die Feiertage hinweg. Neulich in Indien, als ich noch (in warmem Sonnenlicht)  auf der Terrasse des Hauses saß, hatte ich einen Anruf von ihr bekommen, bei dem klar wurde, dass ich vor 45 Jahren mit ihr in Kathmandu in einen Kleinbus gestiegen war, der uns und noch ein paar Traveller nach Goa bringen sollte. Ich selbst war dann unterwegs ausgestiegen und hatte mich an dem Ort  niedergelassen, wo ich jetzt noch wohnte. Irgendwie war sie auf die Idee gekommen, mich zu finden, und das war ihr gelungen. Da sie sowieso mit ihrem Mann in Europa unterwegs war, hatten wir entschieden, dass wir uns treffen würden, hier im Haus, zu Ostern. Das Lied, das ich gestern in meinem Blog hatte, fiel mir wieder ein, eine singende Nonne aus Nepal. Ich habe im Nepal der Siebziger 9 Jahre gelebt, das war eine Überraschung für mich, dort wohnhaft zu werden. So langsam tröpfelte ein Zweig der Überlebenden aus den Sixties in die uralte Tradition hinein. In Kathmandu wurde jährlich eine Jungfrau im Kindesalter zur Göttin erhoben, bis sie ihre Tage hatte und dann meistens in der Prostitution endete, weil kein Mann eine vom Göttinnenstatus herabgefallene Frau heiraten wollte. Tracy hatte 3 Jahre in Nepal gelebt, und wir erwarteten, uns an viele Menschen gemeinsam erinnern zu können, die einem ständig auf der damals schlichten Hauptstrasse begegneten und entweder auf ein Visa nach Indien warteten oder in Nepal direkt was zu tun hatten. Ich hatte noch meine Violine dabei und einen Violinlehrer, Gopal Nath. Schön, dass ich mal seinen Namen hinschreiben kann, ein wunderbarer Lehrer, der damals einer der wenigen Violinspieler Indiens war und Schüler von V.J.Jogh wurde. Er hörte diesen Meister auf der Violine in einem Krankenhaus in Lakhnau mit bandagiertem Kopf, denn ein Tiger hatte ihn angegriffen in seinem Heimatdorf. Er kam eh aus einer Musikerfamilie, aber dann fing er an, Geige zu spielen, mit dem Steg nach unten an die Ferse gelehnt. Meistens spielten wir, bzw. ich lernte Raga. Zwischen unserer Gästin und mir wurde bald klar, dass wir uns wenig an damals gemeinsam Erlebtes erinnern konnten, ja, sie war sichtlich überrascht, wie wenig vor allem ich mich an Menschen dort erinnern konnte. Ja, als sie mir ein paar Gesichter zeigte, aber keine Namen. Oder doch, ein paar schon: Hetty, die nur noch tibetische Kleidung trug und ihren Sohn zum Tulku erklärt hatte, oder Charles Henry Ford, der dort lebte, um zu schreiben, und dabei junge Nepalesen verführte. Oder Angus, der seine Schamanenphantasien auslebte und meistens trommelnd vorzufinden war. Oder Jimmy Thappa, der einsame nepalesische Wolf im Cowboy Outfit undsoweiter…ich merke, dass die Erinnerung dennoch ganz schön fließt, dann mache ich vielleicht morgen weiter mit den nepalesischen Anekdoten, alles dank unserer Gästin. Ein sehr angenehmer Mensch und so eine Freude, sie nach all diesen Jahren kennen zu lernen.

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