mitfühlen


Engel des Mitfühlens
Am Ende eines Gespräches mit einem Freund in Boston fragte er mich, nachdem wir so ausführlich wie möglich über den Tod  und seine Funktion im Leben des Menschen gesprochen  hatten, was ich von „Engeln“ hielte. Diese Frage macht/e mich verlegen,  denn lange Jahre war das eigene beschwingte und beflügelte Wesen, vor allem innerhalb des meditativ erschlossenen Raumes, eine Vertrautheit, was meiner heutzutage vorherrschenden Bereitschaft für nüchterne Wahrnehmung nicht mehr ganz entspricht. Nichts gegen Beflügeltsein oder Schwingungsforschung, solange ich nicht darüber reden muss. Auf die Frage konnte ich dann antworten, dass es tatsächlich in meinen Bildern einen Moment während des Entstehens einer körperlichen Figur gibt, wo ich förmlich zuschauen kann, wie sich der Pinsel fast selbstständig in eine Krümmung bewegt, die nichts mehr andere sein kann als ein Flügel. Und gerade ihn, Raphael, habe ich bei seinem Besuch in unserem Haus als eine Art dunklen Engel durch unsere Gespräche wandern sehen, allein mit einem Schwert in einer großen Finsternis, als Hauptspeise nur die Poesie, als die Bürde des Mysterium oder des Martyrium des Wortes: gleichzeitiger Zugang zum Daseienden und vollkommener Verlust der Bedeutsamkeit dieses Errungenen. Mein Hörvermögen konzentrierte und entspannte sich simultan, denn vieles von der inneren Räumlichkeit war mir vertraut. Daher vielleicht die Wichtigkeit der Wesen, die das latent Unbewusste bevölkern. Denn auf jeden Fall verkörpern sie eine Symbolik. Und würde man sich jetzt einen Engel vorstellen, der voller Mitgefühl durch die überfluteten Gebiete wandert, könnte es sich tröstend anfühlen, dass er nichts mit der Katastrophe und ihren schrecklichen Nachfolgeerscheinungen zu tun hat, sondern einfach Mitgefühl ausstrahlen kann. Ansonsten: nein, sagte ich, keine Engel außer der Symbolik, die Türe sein kann zu noch tieferen Schichten. Und ja, ich finde es auch unredlich, so zu tun, als könnte man die viel zitierte Klimakatastrophe noch in den Griff bekommen, in welchen oder wessen Griff denn bitte? Und in der Tat erspart es einem nicht die Aufmerksamkeit auf das eigene Handeln, denn warum sollte man sich aus irgendwelchen Gründen aus dem Selbstsein entlassen, ist es doch das Einzige, was man gewiss hat: eine unleugbare Existenzberechtigung, mit deren Umgang man bewusst oder unbewusst beschäftigt ist. Denn lernt man das Beleben der eigenen Existenz, ist der  Umgang mit anderen Menschen vermutlich bereichernder.

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