herumstehen

In Indien wird viel herumgestanden – allein oder auch zusammen. Es fällt nicht weiter auf, da es überall zu sehen ist. Die neue Variante ist das Smartphone, das in der Hand nicht fehlen darf, ich meine natürlich vor allem Männer. Denn wenn eine Frau einfach nur herumsteht, fragt sicherlich jemand, ob sie nichts zu tun hat. Ich stehe zur Zeit auch öfters mal herum, das hat mit meinem heranziehenden Abschied von Indien zu tun. Ich stehe und starre hinein in das unzerstörbare Ewig, in dem ich immerhin mein halbes Leben herumwandern und wirken konnte mit dem, was ich jeweils war. Nun bin ich tatsächlich die, die „in it“ ist, aber nicht mehr „of it“. Alles, was ich höre und sehe, ist zutiefst vertraut: das Herannahen der Affen, das Brüllen der Ochsen, der ohrenbetäubende Lärm der Hochzeitsmusik, das konstante Hupen der Rikshas und Scooter und Motorräder, und das laute Schreien natürlich der Menschen, die direkt vor dem Haus am See ihr brahmanisches Ego ausleben. Und wehe, es macht jemand was falsch, dann sind sie in ihrem Element, die selbsternannten Halbgötter. Nun ist mir aber vor ein paar Tagen beim Stehen aufgefallen, dass gegenüber, in einem der unzählbar vielen neuen Hotels, zum „Weißen Lotus“ betitelt, auf einmal keine Techno Musik mehr nervt, sondern langsame Stücke einer friedlichen Musik sich in mein Lauschen hineinversenkt haben. Das kommt nicht so häufig vor, dass Musik mich direkt anspricht, seit meine eigene Musik sich aus meinem Leben in Form einer Geige zurückgezogen hat. Ich hatte sie noch hier, als ich anfing, am Feuer zu sitzen, bis mir klar wurde, dass sie den Sand der Wüste nicht überleben würde, und gab sie weiter. So ging ich eines Morgens tatsächlich hinüber zur Musikquelle und traf dort Arnold der Costa, einen jungen Mann aus Goa, der drei Foreignern gerade sein Yoga vermittelte. Er versprach mir, ein paar Stücke von seiner Playlist zu meinem WhatsApp zu schicken, und tatsächlich, heute früh trafen sie ein. Ich stand noch eine extra Weile herum und freute mich. Es ist meine Abschiedsmusik – neu – ruhig – zutiefst berührend und Kunde gebend vom Unaussprechlichen.

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