montags

Eigentlich war ich überrascht, dass der westliche Winter, den ich immer etwas gefürchtet hatte, vorüberzog wie ein tiefer, dunkler, warm belichteter Strom, eingebettet in die große Krise, die die allgemeine Verlockungsebene, was die äußere Welt betrifft, reichlich eingeschränkt hat. Allerdings vergesse ich gerne, weil wenig davon betroffen, dass über die auf einmal so ziemlich allen zugängliche Online-Einkaufs-Ebene vermutlich ebenso viel eingekauft wurde als vorher, wer will schon im Lockdown mit Entzugserscheinungen umgehen müssen. Man musste sich ja sehr persönlich damit beschäftigen, wie man mit der auferlegten Lebensbeschränkung hantiert. Auch der Freiheitstrieb ist natürlich in jedes Mannes und Fraues Urkern vorhanden, und wenn das Kind den Vernichtungsorgien der Erwachsenen entgehen konnte, meldet sich dieser Drang früher oder später. Manchmal hält das dem Menschen von irgendeiner Quelle Auferlegte eine lange Weile duldsam an, meldet sich dann aber mit Protesten und will und kann nicht mehr damit leben. Abgesehen von schweren, geschäftlichen Verlusten kann es starkes Verlangen nach früheren Selbstverständlichkeiten geben: endlich wieder Oper, Schauspiel, Philharmonie, Cafés, Restaurants, Nähe. Das, was man mit eigenem Willen erreichen kann. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass viele die entstandene Pause gar vermissen werden. Einige Bücher doch nicht gelesen, man befindet sich ja sozusagen mitten in der Ausmistung. Und so ein Tag ist gar nicht so lang, wie man es manchmal gern hätte, und man staunt heimlich, wie das die anderen wohl machen, den Umgang mit all dem Hineingepackten, das nun auf sich selbst zurückgeworfen ist, bevor es sich neue Kanäle sucht, was sich  als günstig herausstellen kann, aber nicht muss. Wenn man geistige oder körperliche Verdauung schon lange nicht mehr intensiv gewohnt ist. Oder auch d a s befindet sich bereits in einer neuen Welle, der Reduzier-und Entsorgungswelle. Es entstehen Freiräume, aber nicht überall ist Durchlass. Es kommt zu Stockungen. Zu freieren Straßen, zu inneren Staus. Vieles wurde ja draußen an all den Tischen durchgekaut, das Erlebte und das Empfundene und das Gedachte, und glücklich kann sich schätzen, wer mit Gegenübern lebt, mit denen wahrgenommene Realität eingeschätzt werden kann. Mir ganz persönlich wehte eine Ruhe aus meinem indischen Dorf entgegen, denn niemand konnte dort hinreisen, und auf einmal waren sie wieder mal unter sich, fort der Touristentraum mit den prallen Geldtaschen. All die Hochburgen indischer Heiligkunst ohne Foreigners gar nicht mehr denkbar! Die Nicht-Denkbarkeit war allerdings vorher schon da, die Entgleisungen waren in vollem Schwung. Und während das Schöne und das Gute, das ja auch da ist, sowie die unselig vielen Formen des Missbrauchs weitergehen, wird die Menschenherde so langsam durchgeimpft sein, und alles kommt wieder in Gang. Aber wer weiß, wer wir dann sind, wenn die Mutanten endlich in Schach gehalten wurden, nachdem wir von den Mutanten in Schach gehalten wurden, und vielleicht eines schönen Tages wieder unmaskiert hinaustreten können in die Sichtbarkeit. Oder auch nicht.

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