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Meine Mutter erzählte einmal, wie es nach einer schweren Bombardierung in Berlin, als alles nur noch aussah wie ein schwarzes, zertrümmertes Feld, auf einmal leise anfing zu schneien und der Schnee das Grauen mit einer glitzernden Decke überzog und sie sich kaum mehr traute, das schön zu finden. Ähnlich ging es mir mit dieser Wolke (Bild), die ich im Kontext der australischen Waldbrände gesehen hatte und dachte, so wird ein Gott geboren im Geiste der Menschen, die dafür offen sind. Sie schau(t)en hinauf und da war er leibhaftig, der aufbrausende Zeus zum Beispiel, den das Tun der Menschen erzürnte, dann war alles klar und man konnte damit leben. Ich war auch mal bei der Geburt eines Gottes dabei. Damals saß ich im Tempel der Göttin Santoshi Mata, also der Friedensgöttin, die wiederum durch einen indischen Film gezeugt wurde, denn es gab sie vorher nicht. Aber offensichtlich machte es im kollektiven Unterbewusstsein Sinn, eine Friedensgöttin zu etablieren, und flugs gab es hier und dort Tempel für sie, und vor allem Frauen pilgern freitags (for future) dort hin. Die Mutter der Familie wurde Priesterin und man sah sie als die Verkörperung des Idols. Im immer geräumiger werdenden Garten kam in den Tagen, die ich dort verbrachte, ein Rechtsanwalt mit einer Gruppe BegleiterInnen, um der täglich frisch und hübsch angezogenen Göttin Ehre zu erweisen. Sie pilgerten auch um den alten Banianbaum herum und lo and behold!, der gebildete Mann sah irgendwo im Baum einen Elefantenkopf, was nicht schwer ist, denn die Wurzeln können auch als Elefantenherde gesehen werden. Aber nein, es gab auch links und rechts vom Rüssel eine Einbuchtung, in die etwas später von dem Finder Porzellanaugen eingefügt wurden, die das Ganze lebendig machten. Die Gruppe kam bald wieder, und Frauen trugen auf ihrem Kopf köstliche Zubereitungen, um die Ankunft zu zelebrieren. Es sprach sich herum, und irgend jemand wusste, dass Ganesh, also der neugeborene Elefantengott, eigentlich ein Sohn von Santoshi Mata war, was freudig abgenickt wurde. Fortan hatte die Familie der Caretakerin ausgesorgt. Die wahrhaft vertrauensunwürdigen Söhne, bekannt durch Schlägereien, zogen sich die orangene Farbe über und spielten herum im Swami(heiliger Titel) wesen, so gut sie’s halt konnten, bis keiner mehr hinsah. Dann habe ich später noch diesen 10-jährigen Jungen gesehen, das war schon eine Spur tiefer.  Man hatte mich gerufen, um ihn zu sehen, eine Inkarnation Krishnas, und ich bin halt mal aus Neugierde hin und quetschte mich in die Überfülle der AnbeterInnen. Während sein Lehrer etwas erzählte, hatte der Junge die Augen geschlossen und ich beobachtete ihn. Auf einmal löste sich vor meinem erstaunten Blick die Festigkeit seiner Haut auf, und eine blaue Farbe erschien, dann sah ich eine Pfauenfeder, dann sah ich Krishna, den Gott der Liebe, wie ein bewegtes Bild ohne Rahmen. Das finde ich auch heute noch verblüffend, dass so eine innige Verbindung mit einer Figur die Materie durchdringen kann, was selbst für meine nüchteren Augen sichtbar wurde. Diese Ebene hat eine geradezu furchterregende Kraft, wie das Stigma in den Handflächen der dafür bereiten Frauen, eine mystische Entgrenzung. „Ich habe mich (auch) oft gefragt (Benn), woher das Schöne und das Gute (und das Seltsame und das Unfassbare) kommt, weiß es auch heute nicht und muss nun gehen.“

 


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