Drama

Dass mir das einmal so gleich-gültig im ursprünglichen Sinn des Wortes sein würde, ob ich schon einmal da war oder nach dem, was ich jetzt bin, noch einmal erscheinen werde, hätte ich mir sicherlich zu einer anderen Zeit nicht vorstellen können. Man muss ja, vor allem im Westen, ganz schön ackern allein um das Dreieck Vater/Mutter/Kind herum. Die ziemlich geniale Handhabung dieser Problematik durch die Hindus hat mich damals, als ich ankam, ziemlich beeindruckt. Morgens aufstehen und zuerst die Füße der Mutter und des Vaters achtungsvoll berühren und ihnen danken, das war hier bei uns leider nicht drin. Erst der Krieg, dann das Lösen von gewissen Zwanghaftigkeiten der Kultur, vom Unbehagen in ihr undsoweiter. Das riesige Kollektivbeil der Selbstzerstörung niedergelassen auf das Poetenvolk, die hochkarätig intellektuell Ausgerüsteten bei der Fleißarbeit des Gaskammer-Systems. Gut, irgendwann ist einmal alles bzw. vieles durchgegrübelt. Doch ist es? Wenn das Individuum realisiert, dass es das einzige Wesen ist, das das ungeteilte, also individuelle Ich (oder Selbst) verstehen  und darauf, was es ist, Antwort geben kann, dann bringt das sicher eine gewisse Freude hervor, sich selbst gründlich kennen zu lernen, vermutlich das einzige wilde Abenteuer, bei dem man alles erleben kann, was das Herz begehrt, und was es nicht begehrt. Klar, das Paket ist in gewisser Weise von Anfang an geschnürt. Wer war denn nur der Papa. Viele Papas werden ja durch Dasein auch nicht viel greifbarer. Ich hätte wirklich Grund, mich zu grämen, dass nur er, mein Vater, mich kannte und nicht ich ihn, da der kriegerische Abgrund ihn zuletzt doch noch holte. Für den Weg zurück, zumindest an einige brissante Stellen, habe ich mir über eine glaubwürdige Empfehlung dann doch noch Unterstützung geholt. Das war gut. Ich denke ungern und selten an das deutsche Volk als ein Volk von Traumatisierten, aber es gibt Momente, wo ich diese Sicht auch mal zulasse. Ich denke allerdings, man unterschätzt gerne den Umfang der Substanz dessen, mit was man bei der Geburt angetreten ist. Man kann es ja, egal wie es geartet ist, nicht anders wahrnehmen als das eigene Schicksal mit all seinen Kontrasten und Widerständen und den beiden extremen Seiten jedes Systems, die auf bewusste oder unbewusste Weise in die Harmonisierung drängen, was gern die Suche nach dem Glück genannt wird. Nun steht man sich im Wege. Wer soll räumen? Aufräumen? Wer macht es gerne, und wer hat es nie gelernt, ja, auch nicht lernen müssen, denn so weit ich sehen kann, wird zumindest niemand, den ich grad kenne, gezwungen. Wer soll zwingen? Wem oder was unterliegt das Zwanghafte? In dem indischen Dorf, wo ich einige Monate im Jahr lebe, sind die Menschen eigentlich auch ziemlich frei, zumindest werden sie nicht geknebelt von einem Diktator (obwohl ich persönlich Narendra Modi für einen verschleierten Diktator halte, der sehr wohl subtil knebelt), aber so im täglichen Leben herrscht das Übliche: viel Stress und Arbeit und Kreditbelastung und natürlich der helle Wahnsinn an magischer Zwanghaftigkeit all den Ritualen gegenüber, die das Leben des Hindus durchdringen. Auf die digitale Revolution waren vielleicht die Inder im Silicon Valley vorbereitet, aber nicht der Rest der indischen Bevölkerung. Alles ist noch da: die Irren, die Armen, das Plastik, die Kühe, aber nun hat niemand mehr Zeit, sich zu kümmern. Wenn der Strom ausfällt, geht das Land in die Kniee und bittet um Welan. Eigentlich werden Therapeuten gebraucht. Menschen, die gelernt haben, anwesend zu sein und sich auf ein Gegenüber einstellen zu können, ohne dass das eigene Drama ständig im Weg steht. Gleichzeitig in der Verfeinerung des Menschseins aktiv zu bleiben. In einer der wenigen Anekdoten, die mir von meinem Vater (glaubwürdig) überliefert wurden, soll er des öfteren, mit dem dazugehörigen Humor, die Frage gestellt haben; Wer kennt sich selbst? Das ist eine gute Frage, wenn man das ins Außen gerichtete Auge zum eigenen Inneren lenkt und sich am gründlichen Einsatz erfreut. In der televisionären Abenteurstunde.

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