Es ist jetzt fast einen Monat her, dass ich in einem neuen Wohnort lebe. Die Terrasse über den Räumen ist wunderbar, mit weitem Blick über den See, das Zimmer ganz in Ordnung, mit attached bathroom. Als ich einzog, direkt gegenüber von dem Haus, in das ich bald wieder zurückkehren werde, sagte der Besitzer, es gäbe, weil solar geheizt, immer heiß Wasser. Aber meistens verschwende ich 4 Eimer Wasser des kostbaren Nass, bis ich weiß, ob es warm werden wird oder nicht. Heute morgen nicht. Schlechte Laune bahnt sich an. Sie müsste nicht sein, denn ich habe auch etwas, von dem der Besitzer nichts weiß: ein Övchen, auf dem ich nicht nur koche, sondern auch locker heiß Wasser produzieren kann und auch heute produziert habe. Eigentlich würde ich jetzt gerne seitenweise mein Övchen preisen, mein Lebensretter, mein helles Geheimnis: 90 Rupien (1Euro 20) hat es gekostet,und alles, was mit ihm mal passiert, ein Kurzschluss, ein durchgebrannter Draht, kann ich reparieren undsoweiter, aber ich wollte ja eigentlich über zyklisches Denken nachdenken. Die Inder haben’s gut. Sie wissen, dass es noch eine längere Zeit dunkel sein wird auf Erden, dann wird’s eine Zeitlang richtig finster, dann erreicht es einen gewissen Punkt und siehe!, es wird wieder hell, sozusagen paradiesisch. Ein bisschen so wie mein Morgen halt. Beim Hinausgehen und am See entlang habe ich noch auf dem Stein, wo ich immer in meine Barfußschuhe wcchsle, da man am Wasser nicht mit Schuhen laufen darf, ohne von einem der permanent frustrierten Brahmanen eins auf den Deckel zu kriegen, habe ich eben dann noch meinen Schal liegen lassen, der mir mindestens so lieb und unentbehrlich ist wie mein Övchen, mein Rapidograph, mein Notizbuch, mein Make-up usw. (was die Dinge betrifft)…Ja, ich musste dann, zum Glück von nicht zu weit, eine Kehrtwende machen und meinen Schal auflesen, bevor ich mich wieder, jetzt auch noch verstimmt über mich selbst, in den Energiestrom der Umrundung einlassen konnte. Dann wurde es langsam besser. Durch was wurde es besser? War es Denken oder war es einfach mein Einlassen in das, was schon da war, hat es doch genug Schönheit und Substanz, um jeden kurzzeitig verstimmten Fremdling aufzufangen. Ich persönlich liebe die Worte und das Wunder des Denkens, auch wenn ich keineswegs einverstanden bin mit dem, was alles damit angerichtet wird. Wie Max Picard es so vortrefflich ausgedrückt hat, so sehe ich es auch, nämlich, dass das Wort aus dem Schweigen kommen muss. Auch aus dem Alleinsein muss es kommen, aus den blühenden Gärten der Einsamkeit, wo wir unter uns sind, meine Worte und ich, und wo die Wesen, die ich liebe, willkommen sind mit ihrem Schweigen und mit ihren Worten. Es geht ja nicht darum, dass wir übereinstimmen müssen, dass zu viel geredet wird in der Welt. Was wird denn gesprochen? Was wird gesagt? Was wird gedacht? Nein!, man kann nicht einfach aufhören zu denken, das muss geübt werden. Es gibt viele Empfehlungen. Die Praktizierenden bzw. davon Wissenden reden sich den Mund fusselig darüber, wie man gedankenlos wird. Aber als ich mal wieder den Experten Eckhart Tolle eingeschaltet hatte, hatte ich auch keine große Lust, auf seinen verschlossenen Mund zu starren, bis da mal was rauskommt. Reden und Denken sind vor allem bereichernd und unterhaltsam, wenn man weiß, dass sie nicht der unendliche Raum sind, in dem sie stattfinden. Wir sind also jetzt im zyklischen Rahmen der Inder da angekommen, wo alles Wissen zugänglich ist wie nie zuvor, aber wo Ignoranz und Gewalt zu viele Leben beherrschen. Das gibt zu denken. Wenn ich die Inder frage, warum sie ihr Wissen nicht anwenden, wo man es doch z.Zt. gut brauchen kann, antworten sie gerne: Kaliyug hai! Heißt: wir gehen doch jetzt durchs dunkle Zeitalter. Ach so ja! Stimmt ja! Kann man ja selbst hinschauen und überprüfen! Und dann kann man, bzw. kann ich, mach ich öfters, mach ich gern, sag ich liebend gern: da steht doch noch was bei Euch geschrieben über diese Zeit! Nämlich: gerade weil es so dunkel ist, soll man sich selbst anschauen, sozusagen den Blick auf sich lenken, und nach innen richten. Jetzt bin ich schon wieder ziemlich heiter, denn mir fällt die unbändige Begeisterung vor allem der jüngeren Inder über „Selfies“ ein. Seit November gab es schon 5 Selfie-Tote, dh., die Begeisterung über das eigene Bild an irgendeinem heldenhaften Standort war so groß, dass es rücklings in den Tod führte. Falsch verstandenes Wissen!!?? Am Ende des zyklischen Denkens steht also die Frage: was sehe ich, wenn ich mich selbst betrachte. Was denke ich? Und was denke ich nicht? Und was könnte, sollte und wollte ich schon immer denken? Und kann ich überhaupt denken, was ich will, und kann ich nicht dann erst bedenken, ob und wann ich damit aufhöre. Oder auch nicht?
Oben zwei Bilder vom Morgen….