ermessen

Eigentlich wurde mir das Büchlein von Oscar Wilde-Geschichten wegen eines anderen Märchens zum Lesen gegeben, aber die erste, die ich gelesen habe, war die Geschichte der Wirkung des toten Narziss auf einen Teil seiner Umwelt, die ich gestern „drin“ hatte. Im Drin. Man wird hier auf die feinste Art an den Kern der Sache geschleudert. Hat man den Punkt gekriegt, ist jedes weitere Wort überflüssig, obwohl man sich auch dies und jenes erzählen kann. Auch kann man sehen, dass etwas, das den Hauch des Wahren in sich trägt, in erstaunlich vielfältigen Kostümen einherkommt. Gestalten können vorkommen, die einem total fremd sind, wie Nymphen zum Beispiel, die ihre grünen Flechten lösen. Aber es ist klar, dass ihre Erscheinung unweigerlich dem Kerngeschehen dient. Es ist eben ein Märchen von Oscar Wilde und hat insofern viel mit ihm zu tun, aber auch mit allen, die davon angesprochen oder berührt werden. Als sich in meiner jahrelangen Meditationsausbildung ein Freundeskreis bildete, einigten wir uns mühelos auf tiefe Verbundenheiten mit anderen Kulturen, an denen wir fraglos in einem Einst mal teilgenommen hatten. Auch der Pragmatismus ist eine oft nicht sehr förderliche Erfindung. Das Zu-wissen-Geglaubte strömt ungehindert durch die Welten, so als müsste endlich eindeutig werden, was niemals eindeutig sein kann. Gibt es das Eindeutige? Was hat Ägypten uns nicht alles geschenkt an Vorstellungskraft aus einer imaginierten Zeit, in der die Sphinx noch nicht besucht wurde von Reisebussen, und nur ein extra dafür Eingestellter und Trainierter die Worte sagen durfte, die sich manifestieren sollten. Gab es wirklich einmal eine Welt, in der mehr geschwiegen statt gesprochen wurde? Aus Achtung etwa für das durch das Wort zwangsläufig Erscheinende. Oder Tibet, aus dem uns Alexandra David-Neel berichtete, dass sie Läufer sah, die waren so schnell wie ein Flugobjekt. Und die Kinder, die man zu den Objekten verstorbener, tibetischer Meister brachte, um zu sehen, ob sie als dieser Meister reinkarniert sind. Und wer weiß, ob der Glauben nicht doch Berge versetzen und Phurbas und Dorjes  ( tibetische Ritualgegenstände) energetisch erkannt werden können, wenn diese Art Schulung gezüchtet wurde. So etwas muss im Blut liegen. Man kann sich auch keine deutschen Menschen beim erotischen Tangotanz vorstellen, wo ritualisierte Geschlechtergleichheit in einer ihrer glanzvollen Formen ausgedrückt werden kann und muss, um nicht ins Lächerliche zu gleiten. Genau durch das Kunstvolle daran wird einem die Lächerlichkeit erspart, denn hier wird etwas angesprochen, das man anders als durch kultivierten Tanz nicht haben kann. Geisha- Geheimnisse: wer will sie wirklich analysieren, wenn selbst ehrenwerte Lehrer gesehen haben wollen, wie sich Paare in erhabener Verbundenheit in Regenbogen auflösten. Die Bruderschaft in Indien, mit der ich verbunden war, studierten in allem Eifer bis in den heutigen Tag hinein die Geschichten ihrer Vorbilder, die sich selbst noch durch die Luft transportieren konnten, als wären sie selbst das Fahrzeug. Vielleicht setzen ja auch die, die ihren Glauben in ein Wissen transportieren können, genau das, was für sie Wissen halten, auch in ihren Welten um. Irgendwann verliert aber doch das persönliche Wissen seine einschränkende Wirkung auf einen selbst. Man hat ja ganz lange gar nicht gemerkt, wie nackt man immer dastand. Jetzt erst ist man überlegensfähig, was für eine Bekleidung eigentlich die einem als angemessen vorkommende ist. Was sie aussagt über einen, und was nicht. Was verborgen sein soll und was nicht. Was Worte braucht, und was nicht.

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