Shal(Om))

Ich höre also während des Schminkens am Morgen die Nachrichten, nicht mit Bild, sondern mit Radio. Diese drei Minuten der globalen Informationen können Informationen bleiben, oder auch manchmal zu Berührungen oder auch Erschütterungen führen. Der Wahnsinn zwischen den Israelis und den Palästinensern in Kombination mit der beispiellosen Dummheit Donald Trumps kann einem die Sprache rauben. Die Sprachlosigkeit, die z.B. diese verheerende Vernichtungsorgie in Israel in einem auslösen kann, bzw in mir ausgelöst hat, ist nicht die Sprachlosigkeit, keine Worte zu haben, sondern jedes Wort als schal und unpassend zu empfinden angesichts von etwas, das man kaum nennen kann und mag. Deswegen habe ich zuerst ein Bild gesucht und war bereit, etwas zu konstruieren, was zumindest einen Ton der Gefühle trifft. Ich dachte an japanische Kabuki-Masken, an eine Kälte des Schreckens, an das gefühlsbetäubte Verhältnis zwischen Deutschland und Israel, wo eine Zwanghaftigkeit des Niemals-Vergessen-Dürfens herrscht. Niemals vergessen, was angetan wurde von einem selbst, ja, aber dann kann das Gelernte wohl nicht überspringen auf die von einem selbst gepeinigte Seite wie ein Heilungsvirus, der dem Verstehen der Geschichte entspringt. Hier rankt sich nun der eiskalte Krieg um einen Tempel und um einen Streifen gefangener und gedemütigter Menschen, von denen gerade über fünfzig Angehörige erschossen wurden und über zweitausend verletzt. Ein glorreicher Tag für die Helden der flüchtigen Stunde, die gar nicht ahnen können, von wie vielen sie bereits innerlich entmachtet sind. Wegtreten! Was das Bild betrifft, so habe ich dann ein Schwarz gesucht und diesen akademischen Hut gefunden, der bei uns herumlag und nun kurz als abstrakte Fläche dient. Vor diesen Hut hatte ich vor ein paar Tagen das Püppchen gestellt, das man im Bild sieht. Ich wollte Hamid meine Flummi-Sammlung zeigen und hatte dabei das Püppchen wieder gefunden. Es ist ein Schmerzenspüppchen aus Guatemala. Damals hatte ich einige von ihnen von dort zurückgebracht, weil ich die Idee, vor allem für Kinder, schön fand, nämlich, dass man sein Leid dem Püppchen erzählen kann, das zum Zuhören geschaffen ist und einen Tel der Last abnehmen kann. Das Püppchen in meinem Bild ist allerdings schon ziemlich lädiert und bräuchte eher selber Zuspruch. Ein Auge ist weit aufgerissen wie im Schrecken, und man weiß nicht, ob es noch alle Beine und Arme besitzt, die ein Mensch braucht, um mit den Hindernissen dieses Daseins umgehen zu können. Es ist ja schon schlimm genug, dass nun wieder einmal die Angehörigen von sechzig Toten trauern, denn da sind auch noch die Angehörigen der zweitausend Verletzten, und wie verletzt sind sie. Wer erinnert sich nicht mit Schaudern an die Bilder der Heimkehrer. Heimkehren vom Schlachtfeld. Die Heldentaten und die, denen die Glieder fehlen. Wie oft schmeißt sich vermutlich auch so mancher in das Getümmel, weil es sich besser anfühlt als die Ohnmacht einer aufgezwungenen Realität gegenüber. Der Doktorhut in meiner Bildkonstruktion steht für das ungläubige Staunen, dass kein Wissen der Welt die Macht hat, durch solche versteinerten und machtbesessenen Gehirne durchzudringen mit genau d e n religiösen Werten, die Religionen und die dazugehörigen Gehirne so gern unter sich verklickern, so als könnte man für diese selige Inzucht Andere verdursten und verhungern lassen, heißt: ohne Recht auf die Gestaltung eines eigenen Lebens. Hätte also bereits (wegen eines Tempels) jede glaubwürdige Manifestation des Menschenmöglichen aufgegeben. Shalom.

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