Anbetung (Bhakti)

In meiner eigenen Meditations-Ausbildung hatte es eine große Bedeutung für mich, dass die VermittlerInnen dieses Weges eine klar ablehnende Haltung gegenüber Bhakti/Devotion/Anbetung einnahmen. Bhakti war verpönt, obwohl es auch ihrem geistigen Blut nicht erspart blieb, immer wieder neue Formen davon zu erfinden und zu zelebrieren. Noch gibt es keine kosmische Rasierklinge, die scharf genug wäre, selbst den willigsten indischen Befürworter klarer Sichtweisen von der Anbetung einigermaßen schmerzfrei zu trennen.
Vor meinen Augen läuft gerade der Naga Baba vorbei auf seiner morgendlichen Seeumrundung. Zum ersten Mal weht keinerlei Tuch um seine Nacktheit. Er ist nackt, bzw. trägt er nur Asche, und, wenn mich nicht alle Sinne täuschen, in der rechten Hand ein Schwert in einem Stainless Steel Schaft. Wenn das bedeutet, dass er die letzte Hülle hat fallen lassen, dann kann ich nur gratulieren. Dann wiederum: ist das Schwert (k)eine Hülle?
Bhakti ist allüberall. Auch die Bilder oben, die ich heute früh auf meinem Weg gemacht habe, sind bereits angebetet worden. Oft kann man gar nicht mehr erkennen, um was oder wen es sich eigentlich hier handelt, denn Zeit und Wetter haben an Papierbildern oder zerbrochenem Glas gearbeitet und ihre Spuren hinterlassen, aber das kümmert die Anbetenden wenig. Licht wird entzündet, rote Farbe auf das Bild gekleckst, ein paar Räucherstäbchen angemacht, wenn man sie nicht zuhause vergessen hat, dann murmel-murmel und händefaltend verneigen. Fertig ist die Tat, die gute Wirkung folgt auf dem Fuß. (Füße werden auch angebetet!) Klaro, warum nicht? Schöne Gesten, und man ist beschäftigt. Oder wie ein Lama mal in Kathmandu auf meine Frage, ob durch dieses Murmeln mit der Gebetstrommel mit den Menschen innerlich was geschehen würde, geantwortet hat, es sei immerhin besser, als mit den Nachbarn zu quasseln. Ist es das? Om mani padme hum. Wenn es einem denn einleuchtet, was man sagt….
In mir haben solche Bilder wie oben immer sowas wie faszinierten Schauder ausgelöst, vielleich so ähnlich, wie ich es mit Bildern von Francis Bacon erlebt habe. Eine Auflösung des gewohnten Sehens, und alsbald bilden sich neue Formen und Formlosigkeiten, die eine das Innerste ergreifende Schönheit haben können. Diese ungeheure Freiheit, dass mein Auge sieht, was es sieht, und sieht es allein, und mich selbst in dieser Sicht zu erkennen, das hat mich schon immer begeistert.
Mein Blick wird von einem jungen Paar am Wasser angezogen. Er sitzt, sie ist über ihn gebeugt und zieht ihm seine Hosenbeine an. Die sind eng und sie müht sich mächtig ab, sie am Bein hochzuziehen. Ich vermute, dass er behindert ist, aber nein!, wenn es Zeit ist, die Hose ganz nach oben zu bekommen, steht er putzmunter auf, und sie beendet ihr Werk. Das ist auch Bhakti. Aber was soll’s. Da helfen alle klugen, in feinem Englisch formulierten Beiträge in der Times zum Frauentag nichts. Auch die Foreigners trainieren sich in der Anbetung. Heute früh habe ich eine junge Französin einen Shiva Lingum ehrerbietig umarmen und küssen sehen. Das macht ja fast schon wieder Sinn. „J’adore le phallus“ oder sowas Ähnliches könnte in ihr vorgegangen sein.
Auf dem Rückweg kann ich nicht widerstehen, dem Naga Baba, der inzwischen an seiner Dhuni sitzt, die Rosen zu überreichen, die ich täglich am Brahm Ghat bekomme. Für die Asche, sage ich. Das enthält auch noch ein Schlückchen Bhakti, vermute ich mal. Jedenfalls hege ich eine auffallende Leidenschaft für Asche in Kombination mit Rosen. Oder ist das ein Sinn für Erotik.


Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert