mittragen

Einen Vorschlag, den Harald Martenstein (Zeit Magazin) diese Woche in Richtung Friedensaustüftelstress gemacht hat, finde ich ganz gut, nämlich dass der Papst in Kiev in völliger Öffentlichkeit eine Friedensrede oder Predigt halten sollte, und, das füge ich jetzt dazu, nnichtvon der Stelle weichen, oder er,  der Papst, sollte Zelenskys Bodyguard werden, denn wenn einer der beiden getötet wird, geht das Höllenspektakel in eine neue Phase. Wäre interessant zu wissen, ob Putin noch mit den Patriarchen plaudert, und was ihnen dann so alles einfällt. Auch die arme Kirche, so elendig machtlos, wenn’s drauf ankommt. Jedenfalls wäre so eine Inszenierung mal ein meisterlicher Zug für all die, die sich eh gerne im Helden- oder gar Götterhimmel sehen, aber gut, wohl zuviel verlangt. Als ich selber über längere Zeit keinen Zweifel hegte über reinkarnatorische (ich arbeite für das Wortfindungsamt) Vorstellungen, da hätte ich mich vermutlich auch nicht souverän in die Schusslinie gestellt, obwohl ich (damals) dachte, ich würde einmal wieder kommen. Aber als wer, wenn ich mich doch gerade auf diesem ziemlich irrwitzigen Planeten einigermaßen wohnhaft gemacht habe. Ich meine jetzt nicht die Möbel, sondern das Gefühl, mit ziemlich viel Fremdheit zurecht gekommen zu sein, meiner eigenen ebenfalls. Und dann die ganzen Vorgänge, durch die man sich einen Pfad bahnen muss, oder auch will, oder es sogar spannend findet und abenteuerlich und ungemein lehrreich. Gibt es doch kein Andserswo, wo man vom Lebendigen mehr erfahren könnte als hier, wo alles das ist, von dem wir was wissen, wenn auch in bescheidenem Maße. Auch kann man die griechische Tragödie mit ihrer Tribüne der ohnmächtig Schaulustigen verlassen und die hölzerne Schulbank drücken: das, liebe Kinder, ist der Krieg, so schaut’s aus, und der Mann da, das ist Herr Putin. Martenstein erzählt, dass man seinem Sohn im Restaurant Papier, dann gelbe und blaue und rote Stifte brachte, der dann unter die gemalte ukrainische Flagge schrieb: Putin, hau ap! Noch lange, bevor mir die Reinkarnationsidee begegnete, nährte ich mal die Vorstellung, dass vor allem kleine Kinder eigentlich die Weltenlenker*innen sind, denn man muss nur mal lange genug in Kinderzimmer geblickt haben, um zu ahnen, mit welchen chaotischen und zerstörerischen (und zauberhaft friedlichen) Anfällen man hier zu tun hat, wobei das oft als gesund empfunden wird, weil eben die Absicht noch ziemlich arglos ist. Aber bekanntlich hat das Arglose eine große Macht, beziehungsweise Wirkkraft, aber zum Glück lässt man so ein Herumstreifen in den Weltanschauungen wieder los, wenn es Zeit ist. Und siehe, es kommt eine Zeit, da will man, wenn man es hinbekommt, so wenige Meinungen wie nur möglich hochzüchten, damit sie sich nicht als Grundnahrung formieren und man an allen möglichen Orten oder Telefonen unbedingt die eigene Meinung kundtun muss. Muss man eine haben?, und wenn, welche wäre es denn da, von der ich sagen könnte, dass sie meine ureigene ist?  Deswegen verbindet der Krieg so viele mit seinem Schreckens- und Entsetzensgepäck, eben weil wir uns als Einzelne in einer kollektiven Erfahrung bewegen, der man nicht ausweichen kann, ohne Schaden zu nehmen. Es ist ja auch nicht so, als hätten vor Corona und vor dem Krieg alle den immerhin latent vorhandenen Frieden bejubelt oder zutiefst wertgeschätzt. Man nannte ihn dann ja „das Normale“, also eher rastloses Weitermachen im Üblichen, woran man sich leicht gewöhnen kann. Sowie (nur als Beispiel) an die Folterkammern, die, wenn einmal eröffnet, selten wieder geschlossen werden. Trotz alledem wünsch ich aus ganzem Herzen den dort verbleibenden Ukrainern-und Ukrainerinnen weiterhin Mut und Durchhaltekraft, die immerhin von einem Großteil der Weltgemeinde mitgetragen wird, das ist auch nicht ohne.

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