behüten

Als ich gestern wieder einmal mit Raphael in einem unserer Abgrundstiefe nicht scheuenden Gespräche landete, stellte er eine der (Kinder-) Fragen, die uns allen bekannt sind, wer auch immer „uns“ hier ist. Und zwar fragte er, warum wir das nicht alles auch anders machen könnten, sodass weniger Grauenhaftes geschieht unter Menschen, ja warum bloß. Ohne große Umwege konnte ich leider nur an den Buddha denken, der nicht in den Tempeln herumtobte wie es von Jesus bekannt ist, sondern der so erschüttert war, als er mal herunterkam von seinen Palaststufen und außerhalb der Mauern sah, was da los war. Bis dahin hatte er in der Palastblase gut gelebt, aber das war nun für immer vorbei. Auch in diesem Gespräch fühlte ich mich genötigt, zu unseren eigenen, komplexen Blasenkonstrukten zurückzukehren, in denen wir alles nur Mögliche denken und wollen und wünschen können, aber wie sieht es mit der Umsetzung aus. Raphael selbst erwähnt gerne, dass er selbst schon das Menschenmögliche tue, und ich habe ihn schon länger in leisem, aber unbeschwertem Verdacht, dass er sich selbst eher wie ein Engel unter Menschen vorkommt. Das kann ja jedem mal passieren, vor allem in der kontemplativen oder meditativen Welt, wo ich einst auch von den Schwingen schrieb, mit denen wir jeden Morgen aus der Totenstille traten. Das kam allen Beteiligten damals sehr natürlich vor. Ich nenne mich zuweilen (vor allem im Westen) auch Eremitin und hätte zu gerne, dass alle Anwesenden sich als Hüter und Hüterinnen begreifen in den paar Jährchen, in denen sie hier herumwandern. Aber gleichzeitig bin ich mir sehr klar darüber bewusst, dass ich kein Sprachrohr einer Hütergemeinde bin, da es sie gar nicht gibt. In der Welt, oder soll ich „in den Welten“ sagen, die wir Menschen gemeinsam erschaffen haben, wird nicht gehütet, was da ist, sondern mehr wird gefordert zu haben. von dem, an was man gewohnt ist, und eben auch gewohnt ist, es als das „Normale “ zu bezeichnen. Bei den Einen ist es die warme Heizung, bei den Anderen die Burka. Man kann ja nicht vorschreiben, was den Anwesenden als normal erscheint, wie wir das im Pandemiekurs für alle noch einmal durchgeackert haben. So nicken die meisten von uns ab, dass es keine Impfpflicht geben soll wegen unserer eingebleuten Freiheit, die allerdings für vieles andere auch nicht wirklich genutzt wird, denn wir habe sie ja, zumindest in einem vorher nie dagewesenen Ausmaß. Von „wir“ also zu „uns“, dann zu „ich“. So ist Raphaels Frage einerseits vollkommen berechtigt, denn man muss tatsächlich einmal sehen, dass alles ganz anders sein könnte, als es ist, und dann wiederum ist der Gedanke sofort eine Sackgasse. Denn ich bin, wie Cioran so trefflich beklagte, hineingeworfen in dieses Daseinsrätsel, und jede/r hat nur den einen roten Faden in der Hand, mit dem er angekommen ist. Und ziemlich früh arbeite ich mit am Webstuhl und schaue mir das Gebilde an, dass durch mein Tun herauskommt. Ist es der Teppich, auf dem ich mich niederlassen möchte, und ist das Gewebte groß genug, dass auch Freunde und Gäste darauf Platz haben? So ein gewebter Banianbaum, unter dem das Hüten nicht schwerfällt, aber auch nicht das Behütetsein?

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