äschern

An den indischen Verbrennungsstätten ist mir wie nebenher aufgefallen, dass sie, meist von oben her photographiert  für den weitesten Winkel des Körperverfrachtungsvorgangs bis zum Flackern des Holzes und des Körpers bis hin zur Asche, mir also dann aufgefallen ist, dass diese Bilder oft den Bildern der heiligen Zeremonien gleichen, Puja genannt, ein wesentlicher Teil des indischen Lebens. An manchen Festtagen war der ganze See, an dem ich wohnte, umgeben von tausenden von Lichtern. Alle lieben diese Lichter und können nicht genug davon haben. Nun brennen die Feuer des Todes. ‚Normalerweise‘ wäre jede der jetzt anstehenden Leichen ein Mensch gewesen, den man nach seinem Tod mit zwölf Tagen von Trauer und guten Taten begleitet, damit es ihm beim Weiterwandern gut geht. Aber den Toten ist es davor nicht gut gegangen, sie hatten Covid und viele sind erstickt aus Mangel an Sauerstoff. Ihre Körper wären, in weißes Tuch gehüllt, mit Rosenblättern beworfen und durch die vertrauten Straßen getragen worden. Sie wären auch wie überall einzeln gestorben, das taten sie ja auch und tun sie jetzt noch, nur ist es ein Herden-Sterben. Der Hirte hat nicht aufgepasst, war woanders beschäftigt, lässt gerade ein Haus für sich bauen, von dem man munkelt, es koste über eine Milliarde Dollar, selbst eine Milliarde Rupien wären viel, gemessen an der Schmach, die ein menschliches Wesen befallen kann wie ein Virus, das nicht mehr locker lässt, bis der Schein so offensichtlich dumpf wird, dass automatisch eine Gegenbewegung sich in Gang setzt. Bis alle hinstarren, wie ich, auf das flackernde Totenmeer, oder starre vielleicht nur ich so hin, wie ich starre. Ich habe eine lange, intensive Beziehung zu Asche. Und obwohl es nicht Teil meiner Persönlichkeits-Struktur ist, Andere um das zu beneiden, was sie haben, kannte ich so ein kleines Sticheln beim Hören von Mahadevi Akka, die vor ein paar hundert Jahren nur mit Asche und ihrem langen Haar bedeckt war. Asche war in der indischen Gesellschaft ein Zeichen dafür, dass man zumindest gewillt war, dem illusionären Zirkus des Weltendramas den Rücken zu kehren. Sie kehren auch heute noch der Welt den Rücken. Mahadevi Akka war zwar als bereits bekannte Poetin in die Versammlung der oberweisen Männer geladen, dann aber für ihre aschene Nacktheit gerügt worden und gefragt, wie sie es wage, nackt unter Männern zu erscheinen, worauf sie glaubhaft erwiderte, sie sähe keine Männer. Schön, wie sich Geschichten über alle Asche hinweg erhalten. Wenig, wenn überhaupt etwas, ist klarer, als wenn vor den eigenen Augen ein Körper in Flammen aufgeht und dann in Asche zerfällt. Da geht das Schauen und Fühlen ganz sachte in Erkennen über. Asche wird verehrt in Indien, das fiel auch mir nicht so schwer wie andere Forme der Verehrung, die ich ablehne. Die Stirnen der Inder sind ja meist voll mit Zeichen, aber die Asche ist eines der schönsten. Man nimmt etwas Asche auf den Daumen, legt sie zwischen den Augenbrauen an und zieht sie nach oben, Schluss. Man hat sich dem Unausweichlichen angenähert, ist es doch gar nicht so einfach, wie man denkt, dass das eigene Entschwinden unabänderlich näher rückt. Da, an der Asche, da sind Hoffnung und Zweifel beendet. Die Asche empfängt einen mit ihrer Stille.

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