Times

  

Um das erste Bild gleich freiwillig zu enträtseln: es ist eine Steinplatte, an der ein Einkaufsbeutel hängen geblieben ist und noch etwas dazu. Da kann dann ein neuer interessanter Eindruck entstehen, der einem zeigt, was man so alles sehen kann. Die Welt und ihre Bilder, die man selbst sieht, sind ja frei, und für mich ist das vor allem in Indien so, dass, wenn der Tag schon so anfängt, ich aufpassen muss, was ich sonst noch alles sehe, denn überall tummeln sich Geister und Götter in grenzenlosen Formationen. Ist ein Gott mal etwas angeschlagen, kümmert sich eh keiner mehr darum, und wenn einem in dem göttlichen Trümmerfeld etwas zusagt, kann man es auch mitnehmen. Es gibt auch Junkies, bei denen sich herumgesprochen hat, dass wir Foreigners nicht so etepetete sind, und so haben sie eifrig gesammelt und irgendwo im Chaishop an Gutgläubige verkaufen können, um den nächsten hit zu finanzieren. Auch deswegen wird es am Rand des Wassers immer leerer. Am stabilsten sind die Lingams (Phallus/Phallen?) von Shiva, immer aus prächtigem Stein gemeißelt, die man auch manchmal auf dem ausgebreiteten Tuch von Straßenhändlern entdecken kann. Das zweite Bild zeigt eine der letzten Ecken von beeindruckendem Götter-Statuen-Chaos (GSC), viele aus Marmor und sehr schwer, obwohl man aus dem Ganzen doch noch einen passablen Ausschnitt holen kann (drittes Bild). Gut, da wollte ich eigentlich gar nicht landen und es kommt davon, wenn man dem Tag trotz aller Vorgegebenheiten seinen spontanen Lauf lässt. Eigentlich wollte ich mal wieder mit etwas konzentrierterem Blick in die Times schauen nach einigen Wochen minderstarkem Interesse, die indische Politik zu durchforsten ohne die Erläuterungen eines Abkürzelungswörterbuches, und die Times an sich ein Paradies für LegasthenikerInnen und korrekturfreudigen SprachliebhaberInnen, all das nur eine Phantasiewolke…blätter blätter…Man schaut ein bisschen angeödet weg und prallt prompt auf die sich häufenden Morde, die schon auf mehrere Seiten verteilt werden müssen, oder werden mal unten an der Seite hingehängt, ach sieh mal, da hat die Frau mal den Mann umgebracht mit einem Küchenmesser, und die beauftragten Schreiberlinge müssen sich den Kopf zermartern nach Worten, um die gruselige Tat zu beschreiben. Ich frage rum, ob es auch Anderen auffällt, wie viel hier zur Zeit gemordet und gruppenvergewaltigt wird mit der dazugehörigen Frage, ob das wohl vorher gedeckelt worden war oder es Neuerscheinungen in einer entfesselten Kultur sind. Bei mir melden sich gleich zwei Dinge, einmal Kain und Abel, immer ein gutes Beispiel dafür, wie früh das alles dazu gehörte. In den indischen Epen sieht es auch nicht viel anders aus. Immer war Mord. Auch das Gute und Edle war immer, aber eben auch Mord und Vergewaltigung. Der zweite Einfall war die mir einmal vermittelte Aussage eines Mentors, dass Liebe der Verzicht auf Mord sei. Liebe ist der Verzicht auf Mord. So. Auf den harmloseren Seiten drückt sich Radhika Vaz, eine humorvolle Schreiberin, eine Woche nach dem Frauentag mit ihrer Ansicht darüber aus. Sie meint, dass ein Tag doch nun wahrlich zu mickrig wäre für Wesen, die aus eigener Kraft Menschen hervorbringen können. Dann dankt sie den Männerspendern für das vorhandene Sperma, das nun von der Frauenärztin eingesenkt werden kann mit einer geschlechtsneutralen Test-Röhre, und dass dadurch der relevanteste Männerjob am Entschwinden sei. Und für diese großformatige Magie, meint sie, soll es nur einen Tag geben!!!???
Oh, ich sehe gerade, Stephen Hawking ist tot. Ich dachte, er sei unsterblich. Das wurde vermutlich auch von Sokrates gedacht, und er hat es tatsächlich geschafft. Doch es gibt keine Garantie.

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