The Jaipur Experience II

Ja, der wesentliche Teil war die immer mal wieder, oft in großen Abständen, erfrischte Freundschaft mit Lina. Lina ist einer der Menschen, mit denen ich am längsten befreundet bin: Jahrzehnte. Wir haben uns am Strand von Goa zuerst getroffen. Sie hatte eine selbstgenähte, senffarbene Robe an und einen Wanderstab in der Hand. Ich war derzeit noch beschäftigt mit Haus und Hof in Kathmandu und spielte Violine. Man weiß ja nie, wie die Dinge sich gestalten. Lina war tief verbunden mit dem spirituellen, hinduistischen Denken und Tun. Ich auch, aber wir gingen sehr verschiedene Wege. Jetzt ist sie mehr mit buddhistischer Praxis verbunden. Wir haben in Delhi einen kleinen, gemeinsamen Freundeskreis, z.B. Mauro, die rechte Hand von Sogyal Rinpoche, mit dem ich ganz früher mal an Sadhufeuern saß, und John, der zur selben Zeit wie Lina ziemlich lange unter der Obhut eines Kashmiri Brahmanen saß, der nicht sprach, aber ganz schön viel auf seinen Knieen herumkritzelte, was nur die Eingeweihten lesen konnten. Er war auch berühmt für seine Feuerchillums, die einen halben Meter in die Höhe schossen. Ich war mal dort auf meinem Weg nach Amarnath, dem 5000 Meter hohen „Karmapfad“, Pflichtwanderung für jeden Shivaiten. Aber Linas und meine Lehrer waren eindeutig nie diesselben. Die Freundschaft hat aber durch alles hindurch gehalten. Wahnsinn und Glückseligkeit in Indien war immer Thema. Sie und Serge, mit dem sie seit ein paar Jahren verheiratet ist und mit dem sie erfolgreich ein Kleider-Business aufgebaut hat, haben jetzt Delhi wegen der tödlichen Pollution verlassen. Heute fliegen sie westwärts. Für mich war und ist es nicht nur schön, diese Freunde zu treffen, sondern sie waren jahrelang in Delhi zwischen Ankunft mit Jetlag und Abflug oder Weiterreise eine Heimat, ja, genau, ein Tempel der Freundschaft. Deshalb ist es die Mühe wert, nach Jaipur zu fahren für ein paar Stunden und die Kulisse der Stadt als Rahmen zu haben. Am Sonntag Morgen entscheiden wir uns doch wieder, zum Amber Fort zu scootern. Wegen der staubigen Luft verwandeln wir uns in verschleierte Frauen. Amber! Klar!, immer noch umwerfend in seiner maßlosen Gestaltung. Ich scheue mich beim Aufstieg, in die Augen der Elefanten zu schauen, die täglich Tausende von lauten Touristen den Hang hochtragen. Viele Sprachen der Welt kommentieren auch alles rauf und runter. Lina geht voraus, um die Puja im Kali-Tempel nicht zu verpassen. Ihr Herz hängt noch irgendwo und irgendwie am Shakti-Kult. Als ich bei der Durchsuchungsmaschine ankomme und merke, dass ich den Eintrittszettel in den Tempel vergessen habe, bleibe ich gerne draußen und finde einen schönen Steinsitz an der Seite des Tores. Selfie-Irrsinn allüberall. Jetzt gibt es auch noch diese langen Selfie-Stäbe, die eingeschlagen haben wie Harry Potter Zauberstäbe. Die Ich-Welt formiert sich zum Ich-Finale. Dann habe ich ein supernettes Gespräch mit fünf indischen Studenten, die direkt vor meiner Nase mit diesen Geräten herumhantieren. Ich sehe, wende ich mich an sie, dass es für euch gerade sehr wichtig ist, euch selbst zu sehen. Vielleich ja erst außen, schlage ich vor, und wenn diese Phase durchlebt ist, vielleicht auch nach innen? Sie haben Humor und es entsteht eine heitere Atmosphäre. Ich beobachte, dass man an den Anstrengungen der sich selbst aufnehmenden Gesichter sehen kann, wie Menschen sich vor Spiegeln verhalten, wenn wir was zurechtrücken, was im wirklichen Leben niemals so aussieht. (das wirkliche Leben?) Die einzige Möglichkeit für mich, in der Zukunft mal wieder zum Amber Fort kommen zu wollen, wäre ein Projekt. „Tage in Amber“ oder so….Ich würde mit der ganzen Welt mühelos in Kontakt kommen können. Zum Beispiel könnte ich allen diesselben Fragen stellen. Solche, auf die man vielleicht selbst eine Antwort haben möchte. (Was wären die….!?) Lina taucht dann wieder auf mit einem großen roten Puderfleck auf der Stirn, ein Tilak, ein Segenszeichen der Göttin, das hier offensichtlich auch gehabt werden kann. Auf dem Rückweg halten wir bei einem „Pottery“Laden. Eine Keramikwelt vom Feinsten. Man darf gerne, und ich tue es wirklich sehr gerne: immer mal wieder staunen, was Menschen so alles Schöne hervorbringen können. Handbemalte Keramik auf zwei Stockwerken. Von Kettenperlen über Tiere und Teller und Schalen bis zur kompletten Hauswand: alles da. Alles aus Keramik. Aus diesem Keramik-Ozean wähle ich, auch weil ich genügend Zeit habe für diese Art von Luxus, denn Lina’s’ Einkaufsenergie ist zeitaufwendig, wähle ich also ein einziges Stück aus, weil es mir wirklich gefällt, und weil es ein schönes Geschenk ist.
Ja, das waren gute Freundes-Stunden. Wenn etwas angenehm und persönlich ist, kann es trotzdem anregen, denke ich, wenn man es erzählt. Vielleicht erinnert es ja an eigene Freunde und schöne Zeiten, die man mit ihnen verbracht hat.

Das Bild zeigt (m)einen Amberausschnitt


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