wohnhaft

Jetzt bin ich schon fast zwei Monate hier und kann mein Glück immer noch kaum fassen, dass ich ausgerechnet dieses Jahr, in dem die Fahne  meines Abschieds von Indien unruhig im Wind flattert, in dieser zeitlosen Herberge wohnen kann, die dem Luxus des Einfachen geweiht ist. Na ja, so einfach ist es auch nicht, einerseits die Kaffeemaschine, der Toaster und die Waschmaschine, und der Herd natürlich, meine Güte, der Gasherd mit vier Flammen!, und andrerseits waren bestimmte Bedingungen im Spiel, die zufällig auf mich passten, zum Beispiel ein gutes Verhältnis zu den Einheimischen, allen voran den Brahmanen. Der Besitzer des schlichten Palastes ist auch Brahmane, die Besitzerin aus Deutschland, sie sind verheiratet und haben zwei Kinder, die jetzt beide dort zur Schule gehen, daher die Luxuslücke. Wo habe ich nicht alles sonst noch gewohnt in diesem Umkreis! Von hoch angelegten Balkonen direkt zum Leichenverbrennungsplatz, wo Sadhus (Mönche) sich gerne niederlassen, weil es so still ist. Dann mal in einer riesigen Höhle, wo über mir die kleinen Skelette einer Kobra und einer Ratte zwischen Steinen eingeklemmt hingen, die nicht loslassen konnten voneinander. Dann im kleinen Tempel in der Wüste, wo ich mich immerhin als geschminktes, weibliches Bleichgesicht behaupten konnte, Dann vorübergehend in anderen Zimmern, heimlich einen elektrischen Ofen in Betrieb nehmend, dem ich u.a. mein gutes Überleben zu verdanken habe, da man auch darauf kochen konnte, gesegnet sei der Strom. Nun fand die Einsiedlerin, also ich, ihre Traumebene, eine (Menschen)Fee hatte es ihr einfach hingeschenkt, da verblassen einem die potentiellen Klagen im Mund. Bewusst gemacht hat mir das alles noch einmal der Besuch von Tiko, der mir abends selbstgemachtes Brot brachte. Er ist ein hochbegabter Restaurant -und vieles andere Betreiber, in dessen Kopf so viel zu managen ist, dass er sich an nichts mehr erinnert und deshalb seinem Manager beigebracht hat, das zu erledigen, was auf seinem, also Tiko’s Handy steht, dadurch gibt’s Platz für weitere Projekte, die wiederum aufblitzen als endloses Wollen, was man auch Kreativität nennen könnte, wäre das Zuviel nicht ganau d a s, was alle Kreativität hemmt und oft zum geheimnisumrankten Burnout führen kann. Was machst du denn so den ganzen Tag, fragt er mich, unruhig herumschauend. nachdem er die prächtige Kaffeemaschine genau inspiziert und feststellt, dass seine noch superer ist. Gerne setze ich zur Aufklärung über mein Tagesgeschehen an, aber schon erzählt er, dass sein Bruder ihn einmal dazu anregen wollte, gehaltvolle Bücher zu lesen. Er fing mit einem an und verstand derart wenig Begriffe, dass er sich ein Dictionnary kaufen musste und noch verwirrter wurde im Versuch, die Definitionen alle in einem Sinn zu bündeln und dann auch noch die Rückkehr zum eigentlichen Satz zu leisten. Nein, meinte er, er sei kein Philosoph, das hatten wir dann geklärt. Immerhin lebt er sich aus in all den intensiven Ablenkungsmanövern, die uns menschlichen Kreaturen permanent offeriert werden. Und was auch immer ihr Sinn und Zweck sein soll, das müssen wir offensichtlich selbst entscheiden. „That’s life, Kalima!“ ist ein Lieblingskommentar meiner Gesprächspartner, aber nein, ich nicke nicht zustimmend, sondern lasse den Gedanken alleine in der Luft hängen.

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