Kaltfront

Und wieder zieht eine Kaltfront über uns hinweg. Ist das nicht der Sommer, von dem die Wetterpropheten meinten, man würde sich in der auftretenden Hitze vor Verbrennung und Austrocknung schützen müssen? Und immer noch nicht genug Wasser, das gibt (u.a.) zu denken. Da ich den Wetterzustand zwar wichtig finde, so habe ich mich dennoch geübt darin, mich nicht davon beherrschen zu lassen und das funktioniert ganz gut. Eigentlich ist es das Wort ‚Kaltfront‘, das mich angesprochen hat. So könnte man zur eigenen Abwechslung die sich dehnende Phase der coronaischen Irrfahrt auch eine Phase der Kaltfronten nennen. Wie kalt es wirklich werden wird, weiß man ebensowenig wie: wie heiß es noch werden wird trotz der Kaltfronten. Auch in der Welt von uns Menschen (die wir offensichtlich als einen Besitz ansehen, der uns gehört), kann man zwei Stränge beobachten. Der eine führt mit ziemlicher Geradlinigkeit ins Zentrum der maschinellen Hochkultur, wo ein noch nie dagewesenes Ringen (oder war es doch schon da?) stattfindet um Macht und Kontrolle über die geistige Verführbarkeit des Menschen, bei aller persönlichen Begeisterung für die digitale Revolution. Das ist es ja eben, dass ich auch nicht ohne Computer und Smartphone hier an meinem Fenster sitzen möchte, um Himmels Willen! Wozu allerdings auch die Tatsache gehört, dass ich nicht durchdrehen würde, wenn irgend etwas eines Kaltfronttages den großen Stecker herauszieht. Meine eigenen Archive sind angefüllt und danke, das würde eine Weile reichen. Die LebensgefährtInnen aus der Robotwelt sind auch schon unterwegs, und niemand wird G5 aufhalten können, denn das, was alle wollen, ist unaufhaltsam. Voran also in die Weiten, die zuvor noch nie ein Mensch gesehen hat. Auf dem anderen Strang wird, natürlich auch mit Smartphone, um das gerungen, was man unter ‚Menschlichkeit‘ kategorisiert hat, und man sucht nach Lücken, wo sich das brenzlige Thema erweitern oder zumindest etwas mehr klären kann. Ist es menschlich, wenn Gastarbeiter in schimmligen Behausungen leben, die tagsüber im Fleischmarkt des Milliardärs ihr Leben verbrauchen, sorry, das lässt mich nicht los. Nun weiß man ja, dass das Virus aus welchem Grund auch immer, aber immerhin planetarisch zu einer seltenen Aushebelung verholfen hat, die fast zwanghaft zu kreativen Lösungen führt oder weiterhin führen muss, sodass sogar die letzten Patriarchenherrscher ein neues Maß an Volksbeurteilung erfahren und womöglich an ihrem Mangel an Führungskraft scheitern können. Denn auch d a hat man zumindest Ansätze von menschlichem Verhalten erwartet. Gerungen wird also um dieses Verständnis, was es denn nun sei, das sogenannte Menschliche, denn immerhin scheint es ja aufzufallen, wenn es fehlt, und wenn die geistige oder psychische Kaltfront die Aktionsfelder durchzieht. Gut, wenn die Handschrift verschwindet, das empfindet nicht jeder als tragisch. Und ob das Tastentrippeln  eventuell einen anderen Menschen aus mir macht, ist auch noch nicht erwiesen. Und man weiß noch nicht, wie viele Kinder auf der Erde herumsuchen werden nach dem Spenderspermium ihres Erzeugervaters, so, als könnte jemand, der nie da war, ein Vater gewesen sein oder werden. Deswegen ist es schön, wenn immer zwischendurch die Warmfront wieder hereinzieht, in der man Beeren von den Sträuchern pflückt und die Augen sich auf Blumen und Grün ausruhen können vom anstrengenden Gang durch die Widersprüche.

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